Interne Ratingansätze: Sein oder Nichtsein?

Entwicklung der internen Ratingansätze seit der Einführung in der Eigenmittelunterlegung

Die Anwendung interner Ratingansätze in der Eigenmittelunterlegung im Kreditrisiko wurde durch die Basel II Regulierung unter bestimmten Bedingungen ermöglicht. Für europäische Banken wurden interne Ratingansätze im Juni 2006 in der Directive 2006/48/EC eingeführt, die von den EU-Ländern in der nationalen Gesetzgebung umgesetzt worden sind. ​

Die Finanzkrise 2008/2009 brachte eine Reihe von Mängeln in den regulatorischen Rahmenbedingungen des Finanzsystems zutage. Daraufhin wurden von Seiten der Bankenaufsicht eine Vielzahl von Reformen eingeführt, mit denen die Widerstandsfähigkeit von Banken erheblich gestärkt werden sollte. In Bezug auf die internen Ratingansätze (IRBA) wurde intensiv über die angewendeten Modelle diskutiert. Im Rahmen aufsichtlicher Vergleichsanalysen hat die EBA erhebliche Unterschiede bei den IRBA-Banken bzgl. der Risikoschätzung und den Eigenkapitalanforderungen (Variabilität der RWAs) festgestellt sowie Faktoren identifiziert, die die Unterschiede erklären. Diese Unterschiede sind nur zum Teil auf die unterschiedlichen Risikoprofile der individuellen Bankportfolien zurückzuführen, sondern basieren auch auf der Nutzung von Gestaltungsspielräumen in der Regulierung und  nationalen Anwendungsmöglichkeiten. ​

Daher hat die EBA u.a. im in einer Veröffentlichung zu “Future of the IRB Approach” ein umfangreiches Bündel von geplanten Harmonisierungsbedarf – und Verbesserungsvorschlägen vorgestellt. Dies betrifft nahezu alle Bereiche des IRB Ansatzes, insbesondere die Themen: Ausfalldefinition, PD und LGD Kalibrierung, Behandlung ausgefallener Forderungen und Umfang des IRB Ansatzes (z.B. Low Default Portfolios).

Interne Ratingansätze für die Eigenmittelunterlegung

Mit der Basel II Regulierung wurde die Anwendung von zwei internen Ratingansätzen (Advanced und Foundation IRBA) nach Genehmigung der nationalen Aufsichtsbehörden erlaubt. ​
Insbesondere große und spezialisierte Banken haben interner Ratingansätze für die Eigenmittelunterlegung angewendet. 

Finanzkrise
2008/2009

Die Anwendung interner Ratingansätze wurde kritisch hinterfragt: ​

  • Werden Kreditrisiken systematisch unterschätzt? ​
  • Wie sind die Unterschiede in der Höhe des Kreditrisikos von IRB-Banken zu erklären? 

Überarbeitung interner Ratingansätze

Die Ergebnisse der aufsichtlichen Analysen führte zu Änderungen an den Vorgaben für die Messung des Kreditrisikos. ​
Die Änderungen umfassen im Wesentlichen die Definition des Ausfalls, die PD und LGD Kalibrierung und die Behandlung ausgefallener Forderungen.  

Vorgaben der Bankenaufsicht ab 2025

Mit der Einführung der sogenannten Capital Requirement Regulation III ab Januar 2025 ergeben sich für europäische Banken zwei bedeutende Änderungen in Bezug auf interne Ratingansätze:

Einführung Output Floor

Es wird eine Untergrenze für die Eigenmittelunterlegung eingeführt, die durch die Anwendung interner Ratingansätze ermittelt wird. Diese Limitierung soll verhindern, dass Banken durch progressive interne Modelle ihre Risikopositionen zu gering bewerten und somit eine angemessene Kapitalunterlegung umgehen.

Abdeckung des Kreditportfolios mit internen Ratingansätzen

Interne Ratingansätze müssen nun nicht mehr auf das Gesamtportfolio einer Bank angewendet werden. Stattdessen dürfen sie differenziert für einzelne Portfolien innerhalb einer Bank genutzt werden.

Während die Einführung des Output Floors eine gewisse Skepsis gegenüber der weiteren Nutzung interner Modelle nahelegt, könnte die Anwendbarkeit für einzelne Portfolien einer Bank als Chance gesehen werden, die Eigenkapitalanforderungen präziser an die tatsächlichen Risiken anzupassen.

Wechsel zu internen Ratingansätzen oder Rückkehr zum Standardansatz

Die Wahl, ob interne Ratingansätze oder der Standardansatz im Kreditrisiko für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen bzw. RWA sinnvoll ist, wird von Bank zu Bank unterschiedlich ausfallen. Diese Wahl hängt unter anderem vom Kunden- und Produktportfolio ab, davon, wie die Kreditrisikomodelle in Geschäftsprozessen eingesetzt werden, von den Risikomanagementambitionen der Bank und vom Reifegrad des Datenmanagements (von der Datenerfassung über die Qualitätskontrolle bis hin zur Aufbereitung der Ergebnisdaten). 

Für Banken, die aktuell den internen Ratingansatz anwenden, kann es unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten sinnvoll sein, den Standardansatz für Ihr Gesamtportfolio oder einen Teil ihres Portfolios anzuwenden. IRBA-Banken haben höhere Betriebs- und Ressourcenaufwendungen für die Entwicklung, Aufrechterhaltung und Nutzung interner Modelle. Bei der Entscheidung über eine Rückkehr zum Standardansatz ist auch zu berücksichtigen, dass in den Risikomanagementprozessen weiterhin interne Modelle verwendet werden, die zum Beispiel für die Preisgestaltung, die Kreditentscheidung oder die IFRS 9 Berechnung des erwarteten Kreditverlusts genutzt werden.​

Banken, die aktuell den Standardansatz anwenden, können einen Übergang zu internen Ratingansätzen in Erwägung ziehen, wenn sich eine deutliche Ersparnis der Eigenmittelanforderungen ergibt. Eine Quantifizierung der Eigenmittelanforderung bzw. Höhe der RWA nach dem Standardansatz und den beiden internen Ratingansätzen ist für jede einzelne Bank in einer Proberechnung auf Basis von Einzelgeschäften und unter Berücksichtigung der aktuellen Vorgaben der Bankenaufsicht durchzuführen. Die Grundlage einer verlässlichen Quantifizierung ist eine umfassende Datenbasis mit allen Risikoparameter für das Gesamtportfolio der Bank. Neben der Quantifizierung ist eine qualitative Analyse notwendig, um alle notwendigen Aktivitäten für den Wechsel auf interne Ratingansätze zu identifizieren und im Hinblick auf Umsetzbarkeit zu bewerten. Die quantitative und qualitative Analyse der Auswirkungen bei einem Wechsel auf internen Ratingansätze liefert für jeder einzelne Bank eine fundierte Grundlage für die Entscheidung, ob interne Ratingansätze unter Berücksichtigung des Output Floors für einzelne Portfolien der Bank sinnvoll sind oder nicht. 

Wir haben einen potentiellen Wechsel zu internen Ratingansätzen gemeinsam mit X1F fink. untersucht und im Hinblick auf Machbarkeit für unsere Bank bewertet. Das Ergebnis dieser Analyse ist für uns sehr wertvoll und die umfassende Expertise des Beratungsteams von X1F fink. hat uns außerordentlich überzeugt.

Quantifizierung der Kapitalanforderungen interner Ratingansätze

Für Banken, die aktuell den Standardansatz für die Berechnung der Eigenmittelanforderung anwenden, haben wir die quantitativen Auswirkungen bei einem Wechsel zu internen Ratingansätzen analysiert. Wir haben uns auf Banken mit einem Schwerpunkt im Privat- und Firmenkundengeschäft sowie einem ähnlichen Produktportfolio konzentriert, um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen. 

Unsere quantitative Auswirkungsanalyse führte zu folgendem Ergebnis:

RWA Ersparnis im IRBA
Die Anwendung des Output Floors, der schrittweise beginnend mit 50% und final mit 72,5% eingeführt wird, führt ab 2029 zu einer Limitierung der RWA-Ersparnis in der Eigenmittelunterlegung.

Antrag zum Wechsel des Ansatzes im Kreditrisiko für die Eigenmittelunterlegung

Wenn sich eine Bank für einen Wechsel vom aktuellen Ansatz entschieden hat, ist ein Antragsprozess bei den Aufsichtsbehörden zu durchlaufen, bevor die Methodik für die Eigenmittelunterlegung verwendet werden kann. Antragsverfahren für den Wechsel zu internen Ratingansätzen oder die Rückkehr zum Standardansatz müssen aktiv gemanagt werden, und zwar über die Erstellung von Anträgen, die Qualitätssicherung und Governance-Prozesse hinweg.

Banken, die sich für einen Wechsel vom Standardansatz zum internen Ratingansätzen entscheiden, sollten eine strukturierte Zusammenstellung unterstützender Dokumente für den Antragsprozess erstellen. Die Aufsichtsbehörden erwarten von der Geschäftsleitung, dass sie sich der vorgenommenen Änderungen bewusst ist und die Änderungen versteht. Die Mitglieder des Vorstands und der Führungsteams sollten auf die Gespräche mit den Aufsichtsbehörden vrobereitet werden. Dafür sind Schulungen und simulierte Vorstellungsgespräche sinnvoll, um die erwarteten Änderungen, den Status und die Vision konsistent sowie präzise kommunizieren zu können.

Banken haben für die Rückkehr zum Standardansatz innerhalb der europäischen Bankenregulierung ein Zeitfenster vom 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2027 zur Verfügung. Während dieses Zeitraums darf nur einmal eine Rückkehr zum Standardansatz beantragt werden. Banken müssen innerhalb von mindestens sechs Monaten nach der Benachrichtigung der zuständigen Behörde zum Standardansatz zurückkehren. Selbst wenn sich eine Bank entscheidet, zum Standardansatz zurückzukehren, muss sie dennoch sicherstellen, dass sie über eine angemessene Datenumgebung und Methodik der Kreditrisikomessung verfügt.

Ansprechpartner bei fink.

Dr. Orlando Arevalo
Senior Expert

E-Mail
Tel.: +49 151 5247426

Przemyslaw Noetzel
Managing Director

E-Mail
Tel.: +49 172 6882 482